Wir begegneten uns das erste Mal Anfang der 1970er Jahre in der WG Hochallee 21. Soweit ich erinnere, hattest du gerade dein Abitur an der Abendschule gemacht, dich aber sehr bald für die „Betriebsarbeit“ entschieden. Das letzte Mal kommunizierten wir Ende letzten Jahres. Es waren wenige Zeilen, in denen wir uns gegenseitig alles Gute für alle weitere Zukunft wünschten. Von deiner Erkrankung hatte ich kurz zuvor gehört, du von meiner offenbar auch.
Dazwischen liegen fast fünf Jahrzehnte. In den ersten beiden begegneten wir uns häufig. Es gab so viele gemeinsame Freundinnen und Freunde. Mal wohntest du mit einer meiner Lieben zusammen, mal fuhr ich mit einer deiner Lieben in den Urlaub. Wir aßen vorwiegend beim Griechen, spielten viel Doppelkopf, du öffnetest Türen, halfst Menschen, sich wiederzutreffen und wiederzuentdecken, darunter auch mir und einer anderen gemeinsamen, sehr lieben Freundin. Ich konnte dir in vertüdelten Situationen vertrauen. Politisch verzweigten sich unsere Wege Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre. Es war wohl die Radikalität, die uns unterschied, ich glaube: etwas unterschied. Dein Blick zeigte, wann du mich für zu kompromissbereit hieltest. Wahrscheinlich ebenso meiner, wenn du mir zu rau vorkamst. Du warst mit deinen persönlichen Schlussfolgerungen aus politischen Betrachtungen entschiedener, konsequenter.
Unsere Begegnungen wurden nun weniger motiviert und seltener, zumal ich aus Hamburg wegzog. Die letzten Male sahen wir uns auf Trauerfeiern bei der Verabschiedung gemeinsamer Freunde. Sie blieben dies über all die Jahre und Jahrzehnte: Freundschaften. Sie blieben dies über alle Verzweigungen, über alle Ortswechsel hinweg. So möchte ich auch das erinnern, was uns verband – und möchte weiter hoffen, du könntest dazu noch Ja sagen.
Salut,
Jürgen