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„Ich erinnere keinen einzigen Streit.“

Mobirise

Kennen gelernt haben wir uns 1971 oder 1972. Also, sagen wir, vor 48 Jahren. Wenn ich veranschlage, dass es Jahre gab, in denen wir uns nur 10 Mal trafen, aber auch viele, in denen wir uns wohl hundertmal sahen (politisch Termine und alles zwischen Kneipentisch, Ausflug, Karten sowie Brettspielen), dann kommen wir wohl über 2000 Begegnungen. 

Das ist fast schon unheimlich; rekordverdächtig für zwei, die nie miteinander angebandelt haben und nie dieselbe WG bewohnten.

Einmal waren wir zusammen im Urlaub (Marion mit Heli verbandelt, Gabi mit mir und Heinz solo), vielleicht war das 1976, in Südfrankreich und im Baskenland. Es war etwas angespannter als erhofft, aus Gründen, die mit problematischen Beziehungen und erlöschenden Lieben zusammen hingen. Eben so, wie es mit Mitte Zwanzig zu sein pflegt...?

Wir fotographierten damals, glaube ich, leider nicht.

15 Jahre später, also 1990 oder 1991, waren Marion und ich noch einmal gemeinsam unterwegs: in Basdorf, wo eine große Kaserne in eine Asylunterkunft umgewandelt werden sollte, das erste Projekt dieser Art auf dem Boden der gerade untergegangenen DDR. Als NDR-Journalisten getarnt, fabrizierten wir für KONKRET eine Reportage über eine All-Parteien-Koalition, vereint mit Zivilgesellschaft von Kirche bis Hundedressurverein, zur Abwehr der Geflüchteten.

Es ging uns in diesen Tagen miteinander gut. Wer Marion kennt, weiß, dass sie es war, die für die Einhaltung aller Gesprächstermine und Ortsbesichtigungen, die wir uns vorgenommen hatten, sorgte, auch wenn ich meinte, wir hätten genug Material. Schlendrian, Unzuverlässigkeit, Unsortiertheit und Bluff mit dem Mittel der Improvisation waren ihre Sache nicht - in all den 48 Jahren, ob es um das Berichtewesen in unserem Chemie-Bereich des KB, um Parlamentsarbeit oder um eine triviale Juristerei, die sie für mich erledigte, ging.

Ich erinnere keinen einzigen Streit, kein Zerwürfnis derart, dass man ein paar Tage oder Wochen später anrufen oder schreiben muss, um etwas langsam wieder einzuränken.

Ich habe mit Marion nie diese tiefgehenden Gespräche über private und intime Probleme, über Ratlosigkeit, Trennungsschmerz, Zukunftsangst geführt. Da hatte sie, hatte ich andere. (eine kleine Ausnahme machten wir vor vielleicht 15 Jahren, da haben wir öfters aufgepasst, dass wir die Kneipe gemeinsam verließen, um noch eine halbe Stunde Umwege zu laufen und ein paar Sorgen zu besprechen...).

Wie sicher fast alle, die an dieser Stelle schreiben, hole ich mir Erinnerungen an Marion, an gemeinsam Erlebtes, ins Bewußtsein. Groß, selbstverständlich sehr groß ist die Zahl skurriler Episoden. Das letzte Mal, das wir sehr laut und für die Umstehenden unverständlicherweise gelacht haben, war im Foyer des Polittbüro nach einer Aufführung des Anti-Heimat-Abends. Und da ging es nicht um 'inhaltliches', sondern eher um frivoles, was mir da ins Ohr getuschelt wurde...

Meine Zeilen sind vielleicht so hölzern, weil ich zwar launiges erinnere, aber noch nicht aufschreiben mag. Aufschreiben ist sowieso schwerer als Erzählen. Vielleicht im Herbst, wenn wir gemeinsam an Marion denken wollen.

Wir hatten uns - meine Schuld - ein wenig aus den Augen verloren, nur am Rande von irgendwas Standpunkte ausgetauscht oder uns erkundigt, wie das und jenes läuft, oder geplaudert. Ich wußte also nicht, ob meine und Heikes Frage, nach Bekanntwerden der furchtbaren Diagnose, ob wir mal vorbei kommen dürften zum Sprechen, Essen und Kartenspielen, unangemessen war.

Aufdringlich? Anmaßend? 'Macht sich erst rar und dann wichtig'? 

Marion wollte - und darin lag, wenn ich das interpretieren darf, auch etwas Verzeihendes. Es waren zwei sehr angemessene Abende im Januar bei Rainer und Marion, sehr schöne Abende; und niemand soll denken, ihr wäre gleichgültig gewesen, wie die Skipbo-Partien ausgingen. Sie wollte schon gewinnen, jedenfalls im Januar, als sie und wir noch hofften, ihr stünde ein langer Weg mit Aufs und Abs bevor... 

Langer 
(Thomas Ebermann)


 

Impressum: Rainer Link, Harkortstraße 48, 22765 Hamburg, mail@erinnerung-an-marion-pein.de